Wenn weniger mehr bedeutet: Wie wir mit steigender Arbeitslast umgehen
- Alexander Roger Moser
- 27. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Der folgende Text sollte deutlich machen, dass Restrukturierungen nicht mit dem finalen Personalabbau enden. Da wir gerade in eine sehr angespannte ökonomische Phase hineinschlittern, ist das Thema relevant. Der Erfolg hängt massgeblich davon ab, wie die Organisation mit den verbleibenden Mitarbeitern umgeht und deren neue Arbeitsrealität aktiv gestaltet. Das vorgeschlagene Leadership Workload Check (LWC) Instrument ist ein sinnvoller Ansatz, um das Problem greifbar zu machen und zu einer handlungsorientierten Lösung zu gelangen.

Es ist eine wichtige Erinnerung für Unternehmen, dass nachhaltige Veränderungen menschliche Aspekte nicht ignorieren dürfen. Kurzfristige Kosteneinsparungen durch Stellenabbau können zu langfristigen, versteckten Kosten führen, wenn die psychologischen und organisatorischen Folgen nicht proaktiv gemanagt werden.
Nach Restrukturierungen: Weniger Menschen, mehr Arbeit
Restrukturierungen und Stellenabbau reduzieren oft die Kopfzahl, die Arbeit verschwindet jedoch nicht. Sie verteilt sich leise auf weniger Schultern, häufig ohne Anpassung von Rollen, Ressourcen oder Prioritäten. Für Führungskräfte entsteht daraus eine unsichtbare Zusatzlast: Sie verantworten mehr Entscheidungen, mehr Schnittstellen und mehr „People Work“, während operative Ziele unverändert bleiben oder sogar steigen. Oft werden einfach ganze Hierarchieebenen vom Organigramm entfernt.
Diese Last zeigt sich selten sofort. Sie baut sich schrittweise auf, verteilt sich ungleich und wird oft erst sichtbar, wenn es zu Verwerfungen kommt: Qualitätsabfall in der Führung, Erschöpfung, Fluktuation und stille Leistungsrückgänge in Teams – der klassische „Survivor-Effekt“ nach Downsizing ist seit Jahrzehnten beschrieben. Studien zeigen, dass nach Entlassungen die Bindung, das Vertrauen und die Leistung der Verbleibenden sinken, wenn Organisationen die Lastverschiebung nicht aktiv managen (https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC4879335/).
Warum unsichtbare Arbeitslast so wirksam ist
In der Arbeitspsychologie erklären Job Demands–Resources (JD-R), warum Aufgaben-, Rollen- und Emotionslast zu Erschöpfung führen und wie Ressourcen (Autonomie, soziale Unterstützung, Rollenklarheit) schützen. Zentrale Evidenz: Hohe Anforderungen treiben vor allem die Erschöpfung, während fehlende Ressourcen die Distanzierung / Entfremdung fördern. Parallel dazu hat die WHO Burnout als arbeitsbezogenes Phänomen in die ICD-11 aufgenommen mit den Dimensionen Erschöpfung, mentaler Distanz / Zynismus und verringerter Wirksamkeit.
Workload und Erschöpfung: Meta-Analysen und Reviews zeigen konsistent Zusammenhänge zwischen hoher Arbeitslast, geringer Kontrolle / Unterstützung und emotionaler Erschöpfung.
Qualität: In High-Reliability-Umgebungen wie z. B. dem Gesundheitswesen ist Burnout mit sicherheitsrelevanten Outcomes verknüpft.
Spanne der Führung (Span of Control): Je weiter die Führungsspanne und je diffuser die Rolle, desto höher die Führungs- und Koordinationslast und desto eher leiden Outcomes.
Zusammenfassend:
Anforderungen steigen (Zeitdruck, Kontextwechsel, Emotionsarbeit, Koordination)
Ressourcen sinken (Autonomie, Unterstützung, Klarheit, Tools)
Risiko steigt (Erschöpfung, Distanzierung, Wirksamkeitsverlust, Fluktuation)
Typische Anzeichen der versteckten Führungslast
Zeit- und Entscheidungsdruck: Mehr Entscheidungen in weniger Zeit, höhere Unsicherheit; mehr „Ad-hoc“
Rollenstretch: Gleichzeitiges Managen von People-, Prozess- und Projektlast, unklare Prioritäten
Schnittstelleninflation: Mehr Koordination über Teams / Einheiten, häufige Kontextwechsel
Emotionsarbeit: Erwartungsmanagement in unsicheren Phasen, Konfliktmoderation, moralischer Stress
Administrative Verdichtung: Regeln und Dokumentation wachsen schneller als Kapazitäten
Risiko und Kosten für Menschen und Organisation
Individuell: Erschöpfung → Zynismus / Distanzierung → Wirksamkeitsabfall
Team: Qualitätsschwankungen, Konflikte, „Dienst nach Vorschrift“, steigende Krankheits- und Fehlzeiten
Organisation: Know-how-Verlust durch Fluktuation, Korrekturarbeiten, Verzögerungen, Fehlerfolgekosten, Reputationsschäden
Ohne aktives Last-Management verstärken sich Survivor-Effekte
Der Leadership Workload Check (LWC): Von der Hypothese zur Handlung
Der LWC ist ein diagnostisches Instrument zur Erfassung und Priorisierung der Führungslast nach Restrukturierungen oder in Phasen hoher Dynamik. Er verbindet messbasierte Klarheit mit handlungsorientierter Ableitung.
Für mehr Informationen: https://www.hr-psychologie.ch/

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